Lobpreis und Jubel
Aus den wenigen Marientexten, die uns die Heilige Schrift überliefert, ragt der Lobgesang Mariens hervor, das berühmte Magnificat (Lk 1,46-55). Durch diese Textstelle eröffnet sich dem Leser ein Blick in das Herz Mariens. Überwiegend wird sie als die Mutter der Schmerzen verehrt - und dazu leisten auch die Serviten bereits seit Jahrhunderten einen unermüdlichen Beitrag. Doch häufig wird vergessen, dass nicht die Schmerzen und die Traurigkeit, sondern die innere in Gott verankerte Freude und Fröhlichkeit ihr Leben bestimmt haben. Diese Sicht der Dinge verdanken wir vor allem der lukanischen Tradition, die uns sowohl im Evangelium nach Lukas als auch in der Apostelgeschichte eine Mariengestalt vor Augen führt, die sich als mitfühlende, an Gott glaubende, selbständig denkende, fragende und suchende charakterisieren lässt, eine Frau, die sich Sorgen macht und sich freuen kann, die aktiv am Leben teilnimmt, die den Werdegang der entstehenden Christengemeinde mitgestaltet. Das Wertvolle am Lukasevangelium ist, dass es Maria etwas mehr Raum zum Sprechen gibt als die anderen Evangelien. Aus dieser Rede Mariens, dem Magnificat, erfahren wir, auf welchem Fundament ihr Leben steht, welche Dinge ihr im Leben wichtig sind, welche Prinzipien sie vertritt und welche Ziele sie anstrebt. Nicht zuletzt und vor allem erfahren wir, dass sie nicht ein trauriges, zielloses und depressiv geprägtes Wesen ist, sondern eine Frau, die positive Lebensgefühle in sich nährt, diese auch nach außen trägt und durch sie auch in ihre Zukunft blickt. Wir können nur dankbar sein für dieses gesunde Weiblichkeitsbild, das wir in den erwähnten Texten überliefert bekommen.
Wenn wir nun die Haltung Mariens mit einem ihrer männlichen Zeitgenossen vergleichen, so wird uns der unterschiedliche Ausgangspunkt bei der Betrachtung der Zukunft heftig beeindrucken: Während ein Mann, der Greise Simeon, der schon betagt, vom Leben gedrillt und belehrt, dieser jungen Mutter Maria nichts anderes als ein schmerzensträchtiges Symbol, nämlich das Schwert (Lk 2,35), vor Augen führen will, spürt Maria in sich ihre junge Kraft, den messianischen Enthusiasmus, die Freude an Gott und die feste Hoffnung, dass alle den Menschen befreienden Verheißungen ihres Herrn in Erfüllung gehen (Lk 1,55). Bei ihr steht nicht das Schwert, sondern die Hoffnung im Vordergrund. Und es ist gut so, denn ein junger Mensch, der bereits am Anfang seines Lebensweges mit morbiden Vorstellungen dasteht, wird weder sein noch das Leben der anderen in eine geglückte Zukunft führen können. Die Ausgangsposition Mariens ist dagegen positiv: "Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut..." (Lk 1,46-48). Sie ist sich ihrer Geborgenheit beim Gott ihres Glaubens sicher. Sie empfindet ihn als Retter, zumindest im Hinblick auf ihre ungewisse Zukunft. Sie legt ihre Hoffnung in seine schützende Gegenwart, wissend, dass er trotz ihrer Niedrigkeit auf sie schaut. Diese Niedrigkeit ist im Bewusstsein der Herkunftskultur Mariens mit dem Begriff der Hilflosigkeit verbunden, die sich vor allem im Leben der armen Menschen angesichts ihrer täglichen Herausforderungen erfahrbar macht; der Arme als Teil der Schöpfung erfährt seine Ohnmacht, jedoch es nicht aufgibt, das Heil und die Rettung von seinem Gott zu erwarten. Und Maria sieht sich in der Schar derer, die vom Herrn ihrem Retter angeschaut wurden. Dies ist für sie auch der Grund zur Freude, deshalb preist sie ihren Herrn und jubelt über ihren Gott. Auch für einen Marienverehrer/eine Marienverehrerin kann diese optimistische Selbstwahrnehmung Mariens ein Anlass zur Betrachtung werden. Dabei wird es nicht notwendig sein, sich in die Stellung Mariens zu versetzen und darin eine Fröhlichkeit zu suchen. Vielmehr kann dies eine Einladung sein sich bei der Betrachtung des eigenen Lebens auf jene Momente und Erlebnisse zu konzentrieren, die mich glücklich gemacht oder begeistert haben. Ich kann mich ebenfalls fragen, wo ich die Kraft zum Weitergehen schöpfte oder wer mir nahe stand als ich mich in einer scheinbar ausweglosen Situation befand. Darüber hinaus kann ich täglich prüfen und auf meine Gedanken achten, ob ich geneigt bin meine Zukunft aus der Perspektive der negativen oder eher der positiven Lebenserfahrungen zu planen. fr. Fero M. Bachorík OSM |